Mit ihren wilden Locken und ihrem funkelnden Esprit sprüht Kiara Scott nur so von jugendlicher Energie. Lachend erzählt sie von ihrer Kindheit: „Was immer andere für normal hielten, ich habe das Gegenteil davon getan. Ich war ein verrücktes Kind, sprang über Zäune und ähnliche Dinge. Ich war sehr wissbegierig, stellte viele Fragen und wollte immer das tun, was andere nicht taten.“ Kiara wuchs in Mitchells Plain auf, einer verarmten Gegend, die unter den sozioökonomischen Folgen von Gangstertum, Drogen und Alkoholmissbrauch leidet. Die Vision im Weinbau Karriere zu machen, war ihr zwar nicht in die Wiege gelegt. Die Zahl junger Südafrikaner unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund sich für einen Beruf im Weinsektor zu entscheiden steigt. Private Förderprogramme und Stipendien wie das der Cape Winemakers Protégé Programm tragen dazu bei, dass der Weinsektor immer mehr transformiert und Chancengleichheit gelebte Realität wird. Heute ist sie Kellermeisterin im Brookendale Estate und ihre Weine sind heute schon so beliebt wie sie.

In ihrer Kindheit wusste Kiara wusste nicht, dass Weinbau ein Beruf ist; sie dachte Wein kommt aus einem Laden. Eines jedoch wusste sie ganz genau: „Ich wollte nicht wie viele in meiner Nachbarschaft ziellos an Straßenecken herumhängen“. Das Interesse an Wein wurde bei ihr durch ihre Großmutter geweckt. „Sie hat gerne Wein getrunken,“, erzählt sie mit einem warmen Lächeln „sie hat mir beigebracht, dass man Respekt vor Wein haben muss.“ Entsprechend ihrer neugierigen Mentalität begann Kiara auch das Thema Wein zu hinterfragen. Sie begann zu erkunden, was das Besondere an diesem Getränk ist und warum es Menschen gibt, die es so genießen. Zunächst dachte sie, das hätte etwas mit Chemie zu tun. Bei ihrer Berufswahl schwankte sie zwischen Musikerin, Anwältin oder Winzerin. Sie lacht: „Zum Glück wurde ich am Elsenburg Agricultural College aufgenommen.“ Dort erlernte sie alle Bereiche der Weinerzeugung von der Pike an – vom Schrubben der Tanks hin bis zur Erstellung von Analysen.“

Ihr Wissensdurst und ihre quirlig sympathisches Wesen blieb in der Branche nicht unbemerkt. Es wurde ihr vom Cape Winemakers Guild Protégé Programm ein Stipendium angeboten. Das Programm kann man als Inkubator verstehen, welches die zukünftigen Führungskräfte der südafrikanischen Weinwirtschaft fördert. Während des dreijährigen Studiums haben die Absolvent: innen die Möglichkeiten, bei den Mitgliedern der Guilde zu arbeiten und von den renommiertesten Kellermeistern der Branche zu lernen. Seit der Gründung des Protégé Programms im Jahr 2006 haben 30 Teilnehmer diese Ausbildung absolviert.

Die zahlreichen Bewerbungsrunden meisterte die couragierte junge Frau mit Bravour. Die Vorstellungsgespräche sind anspruchsvoll. Kiara erinnert sich: „Da werden einem viele Fragen gestellt. Zum Beispiel muss man vor einem Gremium namhafter Weinpersönlichkeiten einen Wein verkosten und analysieren, wie der wohl produziert wurde.“ Auch die Persönlichkeit und Charakterstärke werden beleuchtet, denn gefördert werden junge Menschen, die langfristig Führungsverantwortung übernehmen sollen. Zudem wird enorm viel an Zeit, Geld, Wissen und Leidenschaft investiert.

Während ihrer praktischen Ausbildung arbeite Kiara mit herausragenden Kellermeistern des Landes wie David Nieuwoudt von Cederberg Wines, Charles Hopkins von De Grendel Estate und Carl Van de Merwe bei DeMorgenzon. Zudem stehen regelmäßige Verkostungen und Fortbildungskurse auf dem Stundenplan. Kiara ist dankbar: „Ohne das Programm hätte ich viel, viel länger gebraucht, um das zu erreichen, was ich erreicht habe.“ Die Highlights in ihrer jungen Weinkarriere waren ihre Aufenthalte im Ausland zur Weinlese. Sie arbeitete im Rhône-Tal, in Sancerre sowie im Russian River Valley.

Zu ihren beruflichen Mentoren pflegt sie bis heute eine enge Verbindung. Ihre Telefonnummern hat sie alle unter Kurzwahl auf ihrem Handy abgespeichert. Ein gutes Netzwerk in der Branche ist Gold wert, sagt sie und ist dankbar, dass sie diese erfahrenen Weinmacher jederzeit anrufen kann. Sie weiß: „Im Weinbau lernt man nie aus. Wenn Du denkst Du weißt schon alles, dann bist Du  in einer riskanten Situation. In Südafrika können wir uns nicht immer auf die Technik verlassen. Aber auf unsere Weingemeinschaft schon. “

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Protégé Programs bot ihr Duncan Savage eine Arbeitsstelle auf seinem städtischen Weingut Savage Wines in Salt River in Kapstadt an. „Was soll ich sagen – Duncan ist großartig“, strahlt sie. „Ich habe enorm viel von ihm gelernt und tue das noch immer. Er hat mir beigebracht, vor allem auf die Details zu achten. Er hat mir vertraut und mir viel Freiraum geboten.“ Auch ihr Einstieg bei Brookdale Estate, einem kleinen privaten Weingut in Paarl, hat er unterstützt. Duncan war dort bereits als Berater tätig und hat Kiara bei vielen Aufgaben mit eingebunden. Dass Tim Rudd, der Besitzer  ihr die Aufgabe als verantwortliche Kellermeisterin übertragen wollte, war das für alle Beteiligten eine gute Sache. Man kannte sich und sie war mit den Arbeitsabläufen bereits vertraut. Für Kiara ist es wie ein Traum. Sie kann es noch gar nicht so richtig fassen und bleibt deshalb auch bescheiden. „Diesen Erfolg verdanke ich vielen Menschen, die mich unterstützt haben. Angefangen bei meiner Großmutter.“

Doch nicht nur sie als Person erzielt in der Branche viel Aufmerksamkeit, die junge Kellermeisterin punktet auch mit der Qualität ihrer Weine. Der 2019er Mason Raod Chenin Blanc – die zweite Auflage nach dem 2017er – war schnell ausverkauft. Derzeit entsteht auf dem Weingut ein Verkostungsraum. Auch im Weinbau verwirklicht sie große Ideen, beeinflusst von ihrem Aufenthalt am Douro in Portugal. Wie z. B. den traditionellen Anbau eines gemischten Satzes an Rebsorten. Auf Brookdale hat sie einen Weinberg mit einem Mix an 16 weißen Sorten angelegt, darunter u. A. Marsanne, Rossanne, Grenache Blanc, Grenache Gris, Picpoul. Das gleiche Experiment will sie auch mit roten Rebsorten wagen. Ihre Vision ist es, Paarl als Weingebiet aufzuwerten. Kiara sieht in dem unzähligen Mix an Bodenformen, bestehend aus Granit-, Lehm- und Schieferböden, großes Potenzial um gehaltvolle Weine mit spürbarer Frische und Eleganz zu erzeugen.

Was würde sie heute dem kleinen neugierigen Mädchen raten, was damals unbeschwert über die Zäune kletterte? Kiara denkt nicht lange nach: „Bleibe authentisch. Auch wenn es mich damals nervös gemacht hat, dass so wenig Frauen in der Weinbranche tätig sind, wusste ich, es ist OK anders zu sein und die Dinge anders machen zu wollen.“

Im Weingut Cederberg hat sie genauso wie die Jungs bei den schweren Arbeiten angepackt. Denn sonst wäre sie nie ernst genommen worden. Kiara: „Ich bereue keinen Moment, in dem ich mich anstrengen und über meinen Schatten springen musste. Man muss zwar in der Weinbranche als Frau viel mehr leisten. Und man muss es auch besser machen. Dieser Beruf fordert nicht nur körperliche Ausdauer, sondern viel mentale Stärke. Aber darauf bin ich vorbereitet und ich freue mich, jeden Tag Neues zu lernen.“

Text: Malu Lambert – (Originaltext) aus dem Englischen überarbeitet von Petra Mayer 

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